AC-Commerce
Öcher Einzelhandel im Internet

Lieber das Gewohnte

Als Amazon vor fast zwanzig Jahren mit seinem Konzept startete, blühte der Einzelhandel noch. Das Internet wurde damals bestenfalls als Hype wahrgenommen. Multichannel, Same-day-delivery und Conversion Rate waren für den Einzelhändler bis Dato unbekannte Begriffe und auch über ein geändertes Kaufverhalten musste man sich zuweilen noch keine Gedanken machen.

Zwanzig Jahre – so viel ist mittlerweile den meisten klar – ist im digitalen Zeitalter eine halbe Ewigkeit. Eigentlich genug Zeit für den traditionellen Einzelhandel, neue Wege im Internet zu erproben und Erfahrung gesammelt zu haben.

Die Entwicklungsraten des Onlinehandels und die anhaltende Stagnation des stationären Handels zeigen jedoch, dass diese Zeit nicht oder nur bedingt genutzt wurde. Der wachsende Online-Handel erschwert dem Einzelhändler das Leben und verändert zunehmend das Bild in den Innenstädten (lesen Sie dazu auch “Die Paket-Bombe: Wie Amazon, Zalando und Co. unsere Innenstädte zerstören.” Wirtschaftswoche 45/2013).

Die Kommunikationsberatung ALBRECHT MEDIEN und die Digital­agentur WESTWERK nahmen die Gesamtsituation in Deutschland zum Anlass und untersuchten die aktuelle Situation sowie Zukunfts­fähigkeit Aachener Einzelhändler im Internet.

Onlineshop-Verbreitung

Die Gelben Seiten sind zwar noch immer das vollständigste Verzeichnis des lokalen Einzelhandels, doch ziehen Brancheneinträge bei Google und Co. seit einigen Jahren nach. Nicht ohne Grund: Viele Kunden greifen mittlerweile lieber auf das Internet statt auf das Branchenbuch zurück.

Für viele Unternehmen gehört die Web-Visitenkarte daher bereits zur Außendarstellung (in Aachen immerhin knapp 60%, inklusive Filialisten). So können sie sicherstellen, dass sie auch weiterhin von ihren Kunden gefunden werden. Aber wie ist es um entsprechende Online-Shops bestellt?

Konzentriert man sich bei den 1.200 Unternehmen auf den inhaber­geführten Einzelhandel ohne Filialisten, so verbleiben 725 Unternehmen die ihre Online-Aktivitäten einzeln betreuen und betreiben müssten.

Nur 60 dieser Händler (8,3%) nehmen die Herausforderung des Online-Shops an.

Einzelhandel

Betrachtet man das Angebot der Einzelhändler, zeichnet sich ein breites Branchen-Spektrum ab. Die zahlenmäßig größten Branchen Textil und Bekleidung, Gesundheits- und Körperpflege sowie Lebens-, Nahrungs- und Genussmittel bilden gemeinsam bereits knapp die Hälfte des lokalen Einzelhandels.

Die restlichen 50% umfassen Hausrat, Spielwaren, Unterhaltungs­elektronik, aber auch Backwaren, Bücher, Bürobedarf, Schmuck, Einrichtungs­bedarf und sonstige.

Bis auf Lebensmittel sind alle Artikel dieser Warengruppen auch heute schon bequem per Internet zu beziehen. Das Online-Angebot des lokalen, inhaber­geführten Handels spielt dabei jedoch aktuell eine vernachlässigbare Rolle.

Filialisten

Anders hingegen steht es um die Filialisten, die mit 204 Geschäften knapp 17,4 % des Aachener Einzelhandels bilden. Von kleinen Bäckerei­ketten bis hin zu großen Elektroniksupermärkten sind auch im Filial­betrieb alle Warengruppen vertreten.

Die Zugkraft großer Ketten findet sich auch in der Online-Aktivität wieder. Zwei Drittel der Filialisten betreiben einen Online-Shop.

Eingesetzte Software

Soweit ersichtlich wurde zusammengetragen, welche Shopsysteme zum Einsatz kommen. Hieran lässt sich oftmals schon eine gewisse Strategie und Kenntnis zum Betrieb eines Online-Shops ableiten.

Jeder vierte Aachener Einzelhändler, der einen Shop betreibt, setzt auf Eigenentwicklungen. Neben den in die Jahre gekommenen xt/os-commerce-Installationen sind auch die aktuellen Flaggschiffe Magento und Oxid vertreten. Als Software-as-a-Service (SaaS) Shops treten 1&1, Strato und das junge supr.com an. Shopware als moderne, deutsche Entwicklung hingegen fehlt bisher in der Aachener E-Commerce-Landschaft.

Die meisten Shops erwecken den Eindruck einer eher stiefmütterlichen Behandlung. Die letzten Aktualisierungen oft mehrere Jahre zurück. Die mangelnde Aktualität, veraltetes Design und die teilweise fehlende Rechts­sicherheit sorgen für Skepsis gegenüber dem Shop und lässt beim potenziellen Käufer Zweifel aufkommen, ob das Online-Angebot überhaupt noch gültig ist.

Usability & Conversion

Findet sich der potenzielle Käufer in einem Online-Shop nicht zurecht, oder ist der Bestellvorgang mühsam und unverständlich gestaltet, leidet das Einkaufserlebnis und die Quote der Verkäufe fällt merklich schlechter aus. Die sogenannt "Conversion Rate" - also der Anteil an Besuchern, die eine Online-Bestellung tätigen - ist schwach und birgt hohes Verbesserungs­potenzial. Die Benutzbarkeit spielt vor allem bei Online-Shops eine der wichtigsten Rollen, um Online-Kunden zum Kauf zu ermutigen.

Hier können die Einzelhändler aber nur wenig Punkten. Jedoch gibt es Ausnahmen: darunter die auf supr.com gehostete Lösung von Irmgard Wangerin, der Shop des Fotohauses Preim sowie der Online-Ableger AC-Foto von Audiophilfoto.

Links und rechts davon ist man geneigt sich die Frage zu stellen, ob der Verkaufsraum in der Innenstadt auch so vernachlässigt wird. Ohne Store-Konzept, Einkaufserlebnis und einem aufgeräumten und sauberen Laden­lokal, bleiben im stationären Handel schnell die Kunden aus. Wieso sollte es online anders laufen?

Multichannel-Einsatz

Online kaufen, zuhause anprobieren, im Laden zurückgeben. So sieht eine der einfachsten Formen des Multichannel-Konzepts aus. Aber wie viele Händler handeln hier konsequent? Kann ich in Aachen Schuhe im Geschäft anprobieren und dann nach Hause liefern lassen, um meinem Einkauf nicht tragen zu müssen? Gibt es Schaufenster, die mir mit Hilfe eines QR-Codes o.ä. auch nach Geschäftsschluss die Möglichkeit geben, das gewünschte Produkt zu kaufen? Wie sieht es mit einer Verfügbarkeitsanzeige im Online-Shop für Ladenartikel aus?

Die Bilanz ist ernüchternd: Nahezu kein Händler nutzt die Chancen von Multichannel-Marketing und lässt damit vermutlich viele potenzielle Kunden zurück. Lediglich bei drei (von über 900) Händlern war schnell ersichtlich, dass im Online-Shop gekaufte Ware auch im Ladengeschäft abgeholt und vor allem umgetauscht werden kann.

Acht Händler rücken nicht so recht mit der Sprache raus. Der Rest betreibt einen einfachen Shop, der die (vermutlich im Ladenlokal vorhandene Ware) innerhalb von 3 bis 4 Tagen per Paketdienst nach Hause liefert. Same-day-delivery oder die Nutzung von lokalen (Fahrrad-)Kurierdiensten wird bislang nur von der Mayerschen Buch­handlung angeboten. Jedoch nicht per Webshop, sondern nur bei Bestellungen per Telefon und E-Mail. Immerhin werden lagernde Bücher, die bis 16 Uhr bestellt werden, bis 20 Uhr per umweltfreundlichem CLAC-Radkurier zugestellt.

Computerhändler bedienen sich insgesamt eher dem technischen Fortschritt und bieten eine Warenverfügbarkeitsanzeige für Lieferung und Abholung. Eine Studie von ebay zeigt deutlich, welches Potenzial hier schlummert. Bei so genanntem Click & Collect - dem Kaufen der Ware im Online-Shop und der späteren Abholung im Ladenlokal - kaufen 53% der Kunden weitere Produkte bei der persönlichen Abholung vor Ort.

Multichannel ist nicht zwangsläufig an den Betrieb eines Online-Shops gebunden, wie Thomas Storck, Geschäftsführer bei der Warenhauskette Galeria Kaufhof in "Brand Eins" beschreibt: "Für uns heißt multikanalfähig, dass unser Online-Angebot mehr Kunden zu uns ins Kaufhaus führt. Und dass umgekehrt unsere Marke und physische Präsenz in den Innenstädten den Onlinehandel befruchtet".

Das kann alleine oder gemeinsam erfolgen. Ein solides Beispiel, wie Händler von einem Zusammenschluss profitieren können, ist die Aachener Q+ Initiative. Diese agiert aktuell jedoch überwiegend im physischen Einzelhandel und lässt eine tiefergehende, gemeinsame Online-Aktivität vermissen.

Service

Konzepte wie ROPO (Research Online, Purchase offline), Same-day-delivery und Multichannel-Rückgabe sind gute Werkzeuge, wie der Einzelhandel seine Stärken trotz oder gerade wegen der Online-Konkurrenz ausspielen kann.

Im Einzelhandel bestehen oftmals schon die nötigen Strukturen, die dem Online-Handel voraus sind. Eine Lieferung am gleichen Tag ist aufgrund der räumlichen Nähe zwischen Händler, Lager und Endkunden kein Problem. Die Rücknahme der per Paketdienst gelieferten Ware im Ladenlokal ist durchaus realisierbar. Online Verfügbarkeitsanzeige der Ware im Ladenlokal? Dank mittlerweile fast überall eingesetzter Warenwirtschaftssysteme ist auch dieser Service technisch in greifbare Nähe gerückt.

Dabei bleiben Ansätze wie SocialLocalMobile, In-Store-Shopping, bargeldloses Bezahlen per Mobiltelefon, persönliche Shoppingberater oder individualisierte Produkte durch 3D-Drucker noch gänzlich unbetrachtet.